Besuch bei SAP: Discovery Workshop zur HANA Cloud Platform

[authorBox image=”http://uzuner-solutions.de/wp-content/uploads/2013/07/portrait_jml.jpg” name=”Jan-Martin Lichte”]Jan fuhr kürzlich nach Walldorf zum SAP-Partnertreffen. Mit neuen Einblicken in die weitere Entwicklung von HANA kam er zurück.[/authorBox]

Seit mehreren Jahren schon wird seitens der SAP der Begriff HANA ganz hoch gehängt. Auf der Sapphire, der größten SAP-Messe der Welt, wird das ERP ECC kaum noch erwähnt. Hingegen sind alle Vorstände und Strategen des Lobes voll über die neue HANA-Plattform und die Möglichkeiten, die sich bieten.

Die Wirklichkeit sieht jedoch anders aus. Bei meinen Kunden treffe ich zu 100% ERP ECC an – von HANA noch keine Spur. Daher hatte ich HANA lange als ein Marketing-Thema der SAP abgetan, das für meine Berufspraxis in Instandhaltung und Supply Chain keine Rolle spielte, zumal es hauptsächlich um Infrastruktur und Datenbank zu gehen schien. Wir interessieren uns für die Geschäftsprozesse und ihre Umsetzung in Applikationslogik, das klassische PM, SD, MM also. Um Datenbank und Infrastruktur kümmern sich andere.

Hellhörig wurde ich erstmals, als ich von der für dieses Jahr angekündigten Applikation „S/4 Hana Simple Logistics“ hörte. Konnte es sein, dass SAP sich endlich um die Innovation auch in den zentralen Geschäftsprozessen kümmerte? Jahrelang gab es Neuerungen nur in der Peripherie, während die Kernprozesse wie Auftragserfassung und Instandhaltungsabwicklung seit über zwanzig Jahren nahezu unverändert blieben. Es ist kaum zu glauben: dem internetverwöhnten User des Jahres 2015 strahlt immer noch der Charme der frühen Neunziger entgegen, wenn er im SAPgui einen Kundenauftrag oder eine Work Order erfassen möchte!

„Die größte Innovation seit R/3!“ – mehr als eine flotte Datenbank

Aber jetzt – S/4 HANA: „die größte Innovation seit R/3!”

Mein Interesse war jedenfalls geweckt. Aufgrund unserer neu etablierten SAP-Partnerschaft wurden wir zu einem Partnertreffen eingeladen, und ich nahm die Gelegenheit wahr, mehr über S/4 HANA zu erfahren.

Wir wurden zunächst mit der komplexen Vielfalt der Technik vertraut gemacht, die sich hinter dem Begriff HANA verbirgt. Das Angebot geht inzwischen weit über eine neue und schnellere Datenbank hinaus, denn Mit der HANA Cloud Platform (HCP) bietet SAP eine komplette Infrastruktur und Entwicklungsumgebung, damit Kunden und Partner ihre eigenen Anwendungen darauf entwickeln und bereitstellen können. Die Plattform besticht durch zahlreiche State-of-the-art-Tools und Möglichkeiten, die teilweise weit über Standardoptionen anderer Plattformen hinausgehen: Geospatiale Datenselektion, Predictive Analysis, Real-Time-Verdichtung von sehr großen Datenmengen und vieles mehr. All dies hat natürlich seinen Preis – daher bleibt  abzuwarten, ob sich im Markt das SAP-Angebot im Premium-Segment gegenüber etwas weniger leistungsstarken, jedoch kostenlosen Open-Source-Tools (wie Apache, MySQL, Tomcat etc) durchsetzt. Es hängt vom Anwendungsfall ab, ob man die Premium-Features überhaupt benötigt. Großunternehmen werden sich sicher die HCP leisten, einfach um für die Zukunft gut gerüstet zu sein und eine homogene Systemlandschaft für Cloud-Anwendungen vorhalten zu können.

Eine ganz neue Applikationslogik

Mit HANA ist ein ganz neues Universum ist entstanden – und ich habe noch lange keinen Ãœberblick. Ich glaube allerdings, dass das nicht nur an mir liegt: Die „hard facts“ sind gerade zu Supply Chain- und Instandhaltungsanwendungen rar gesät, und bei der Vielzahl der SAP-eigenen Veröffentlichungen, Foren, Portalen etc. braucht es eine Weile, um überhaupt zu den richtigen Ansprechpartnern bzw. URLs vorzudringen.

Immerhin weiß ich inzwischen, dass man unterscheiden muss zwischen „On Premise“ und „Cloud“. Unsere real existierende, in ABAP geschriebene ERP-Software wird es NICHT in der Cloud geben, da dort ABAP als Programmiersprache nicht zur Verfügung steht. In „HANA On Premise“ dagegen schon. (Für Entwickler interessant: es gibt schon jetzt ein ABAP-Plugin für die allseits beliebte Entwicklungsumgebung Eclipse, welche aus dem Java-Bereich kommt. Mit dem „ABAP Development Tools (ADT)“ Plugin kann in Eclipse lupenreine ABAP Entwicklung betrieben werden.)

Was tun mit der gewachsenen SAP-Landschaft – Migrationspfade in die Zukunft

Wenn ich nun an meine heutigen Kunden denke: Sie haben jetzt jahrzehntelang sehr viel in ihre SAP-Systemlandschaft investiert (erst R/3, dann ERP ECC) und das Standard-SD, MM, PP, PM etc. mit zahlreichen Eigenentwicklungen und User-Exits auf ihre Bedürfnisse hin optimiert.

So ein Kunde will natürlich seine Entwicklungen und Sonderabläufe behalten und seine Investitionen weiter nutzen. Welchen Migrationspfad kann er beschreiten, angesichts der neuen Entwicklungen bei der SAP? Wenn in 10 Jahren der Support für ECC eingestellt wird und es nur noch HANA gibt – wie sieht dann seine Systemlandschaft aus?

Natürlich gibt es immer den „revolutionären“ Weg der Neueinführung. Die alten ECC-Anwendungen komplett ersetzen durch Non-ABAP Cloud-Anwendungen, entweder aus dem (hoffentlich bald veröffentlichten) Standardbaukasten der S/4 HANA Lösungen oder eigenentwickelt auf der HCP.

Dieser Ansatz empfiehlt sich für diejenigen, die sich sehr nah am Standard bewegen – oder die ganz bewusst einen innovativen Schritt machen wollen: von der bestehenden, oft sehr verkrusteten Systemlandschaft hin zu zeitgemäßen, leichter wartbaren Anwendungen mit geringeren Kosten für Hardware und Maintenance.

Für die vielen anderen, die auf ihre jahrelang gewachsene Anwendungsstruktur nicht verzichten wollen, bleibt der „evolutionäre“ Weg der schrittweisen Migration. Als erster vorbereitender Schritt für eine spätere S/4 HANA-Einführung ist erst einmal Aufräumen angesagt. Denn bei der Migration auf die HANA Datenbank fallen zahlreiche Hilfstabellen des ECC weg, die aufgrund der drastisch gestiegenen Performance einfach nicht mehr benötigt werden. Sofern jedoch kundeneigene Z-Entwicklungen und User-Exits auf diese nicht mehr existenten Tabellen zugreifen sollten, wird es krachen: nach der Migration sind die Programme nicht mehr lauffähig. Hier ist also inhaltliche Prüfung und Korrektur vonnöten – ein Anlass, endlich einmal den jahrzehntealten Wildwuchs zu analysieren und zu bereinigen, um für die Zukunft gewappnet zu sein.

Eine neue SAP-Vision

Sobald die konventionelle Datenbank durch eine HANA-Datenbank ersetzt wurde, ist man in einer sehr komfortablen und flexiblen Position. Denn jetzt können schrittweise und im Parallelbetrieb die veralteten ECC-Funktionen durch moderne S/4 HANA-Features ersetzt werden. Kein Big Bang, keine Risiken, sondern schrittweise Optimierung nach Bedarf. Beispielsweise kann die Auftragserfassung bereits über S/4 HANA im modernen Fiori-Gewand erfolgen, während die Disposition noch im klassischen ECC verbleibt. Eine sehr komfortable Situation mit maximaler Flexibilität.

Fehlende Funktionen können über Eigenentwicklung im modernen Gewand ergänzt werden. Ob On Premise oder in der Cloud – es lässt sich alles beliebig kombinieren. Durch geschickte Datenbankzugriffe („tiefes SQL“) kann unter HANA die Performance so dramatisch gesteigert werden, dass zusätzliche Tools wie z.B. das BW vollkommen überflüssig werden. Das spart drastisch Server, Lizenz und Maintenance, wie auf dieser Live-Demo von der TechEd 2015 vorgeführt wurde.

Entscheidend wird sein, wie gut die neuen S/4 HANA-Features gelingen werden. Ich bin gespannt auf die ersten Releases, die zum Jahresende angekündigt sind, und werde sicher auf Herz und Nieren testen, bevor ich meinen Kunden den Wechsel empfehle. Aber die vorbereitenden Schritte dauern ihre Zeit – insbesondere die inhaltliche Bereinigung muss schon jetzt begonnen werden, um bereit zu sein, wenn in 2016/2017 die schöne neue HANA-Welt eingesetzt werden kann. Die Einsparpotenziale sind enorm und die Konkurrenz schläft nicht!



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