„Bin kurz online“ oder: Weg ist der Arbeitstag

[authorBox image=”http://uzuner-solutions.de/wp-content/uploads/2014/06/2014-06-18-Christoph-Mittler.jpg” name=”Christoph Mittler”]Christoph absolviert zur Zeit ein Praktikum in unserem Marketing-Team. In diesem Beitrag geht er der Frage nach, wie sehr uns die digitale Welt heute vereinnahmt und wie man ihr entkommen kann.[/authorBox]

Dieses Phänomen kennt vermutlich jeder: Spätestens im Büro richtet sich die erste Aufmerksamkeit des gerade eben erst begonnenen Arbeitstages auf die seit dem letzten Feierabend neu eingegangenen E-Mails. Oftmals geschieht dies „dank“ Smartphones aber auch schon während des Frühstücks oder auf der Fahrt ins Büro.

Master and Slave

Und schon hat man sich das Ruder aus der Hand nehmen lassen, reagiert nur noch auf Fragen, Wünsche oder Anregungen anderer. Das Postfach bestimmt nun den Ablauf des Arbeitstages, wobei auch hier nicht konzentriert an einer Aufgabe gearbeitet wird, sondern viele Handlungen nebeneinander herlaufen. Das kostet Kraft und Zeit, das Ergebnis steht jedoch meist in keinem guten Verhältnis dazu. Von diesem reaktiven zurück in den aktiven Zustand zu wechseln, gelingt meist nicht mehr. Statt Herr seiner Handlungen zu sein, hat man sich unbewusst versklavt.

Wer nun glaubt, dass dies vornehmlich eine Eigenart von „faulen“ Menschen sei, irrt. Prof. Dr. Matthias Burisch, Leiter des Burnout-Instituts Norddeutschland, hat herausgefunden, dass gerade Engagierte und Leistungswillige an diesem „eigenen“ Anspruch, allem immer und sofort gerecht zu werden, oftmals scheitern. Er nennt diese Menschen „Selbstverbrenner“.

„Mailen Sie noch oder arbeiten Sie schon?“

Diese Frage stellte sich die Kommunikationsexpertin Anitra Eggler vor einigen Jahren.Seitdem beschäftigt sie sich mit den Phänomenen der (Arbeits-)Zeitverschwendung, die im Zusammenhang mit dem Internet stehen. Ihrer Erfahrung zufolge verhindern eingehende E-Mails nicht nur effizientes Arbeiten, sie wecken auch eine Erwartungshaltung auf immer neue Nachrichten, da das Belohnungszentrum im Gehirn auch durch diese Ablenkungen aktiviert wird. Daraus resultiert, dass das Immer-erreichbar-sein-Gefühl nicht mehr nur ein kopfeigenes Konstrukt und vermutete Forderung des Vorgesetzten ist, sondern zu einem inneren Zwang ohne On-/Off-Taste wird.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass sich immer mehr Arbeitnehmer nach den von ihnen benutzten Computer- und Smartphone-Programmen richten, statt diese effizient zu ihrem eigenen Nutzen einzusetzen. Die Folge dieser „freiwilligen“ Unterjochung sind massiv erhöhte Raten im Krankheitsstand der Firmen, da immer häufiger Arbeitnehmer an Erschöpfungssyndromen erkranken.

Eine weitere, der oben genannten nicht unähnliche Eigenheit ist das „Sinnlos-Surf-Syndrom“. Zwar steckt dahinter meist die Absicht, relevante Informationen aus den Welten des WWW zu gewinnen. In der Realität verhält es sich aber meist so, dass man sich von Link zu Link leiten lässt und binnen weniger Klicks sein Ziel aus den Augen verloren hat.

Nach einiger Zeit stellt man dann fest, dass schon eine geraume Zeitspanne verflogen ist, man sich aber nicht einmal ansatzweise der Lösung genähert hat. Manchmal hat man auf dem „Lösungsweg“ aber auch das Problem schon wieder vergessen.

Reset your Gewohnheiten!

Nun könnte man meinen, Frau Eggler habe eine eher negative Einstellung zur Digitalisierung. Jedoch ist sie sich derer Nutzen durchaus bewusst, surft, mailt und googelt seit vielen Jahren sowohl privat als auch beruflich. Heute aber deutlich effizienter als früher.

Einer ihrer Tipps zur Bewältigung der Informationsflut sowohl im Web selbst als auch in der Mailbox klingt dabei trivial und doch so nachvollziehbar: Bevor man sich in die Fluten von Überinformationen stürzt, hilft es, Papier und Stift zur Hand zu nehmen. Abseits der unbefestigten Datenautobahn notiert man sich zum Beispiel seine angestrebten Tages- oder Rechercheziele. Denn auch mit immer weiter greifenden „extensions of man“ bleibt der eigene kreative Geist Taktgeber des Handelns.

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Auch wir bei clavis tauschen uns des Öfteren über Methoden aus, die helfen sollen, das Büro im Büro zu lassen, statt es mit in die Freizeit zu nehmen. Vielleicht meldet sich ja die eine oder der andere hier zu Wort und verrät uns weitere Tipps und Gedanken, den alltäglichen Ablenkungen zu entgehen…?! 🙂



3 Kommentare

  • Claudia Gronemeier

    Ich habe vergangenen Dezember hier in Bonn ein Impulsreferat von Anitra Eggler erlebt, und es hat mir die Augen geöffnet. 😉
    Es ging offensichtlich vielen im Publikum (auch mir) so, dass sie sich angesichts ihrer Mail- und Smartphone-Gewohnheiten regelrecht ertappt fühlten. Erst durch diese überspitzte Darstellung Egglers unserer Abhängigkeit von diesen Geräten habe ich mal begonnen, vermehrt darauf zu achten, wann, wie und warum man zu diesem Gerät eigtl. greift. Und die Antwort: Oftmals gibt es gar keinen bestimmten Grund dafür, es ist wie eine Sucht.
    Jedenfalls hat mich der Vortrag zum Nachdenken angeregt, und ich habe danach einiges geändert: Meine beruflichen Mails checke ich grundsätzlich nur noch im Büro an meinem Rechner und habe seitdem eine viel klarere Trennung zwischen Arbeits- und Freizeit, was dem eigenen Wohlbefinden sehr zugute kommt.
    Auf der Arbeit haben wir bei uns im Team morgendliche Standup-Meetings eingeführt, die einen “zwingen”, klare Ziele für den Tag zu definieren und auf den vergangenen Tag zurück zu blicken, was man davon erreicht hat. Ich habe den Eindruck, dass wir uns seitdem stärker fokussieren und mehr in thematischen Blöcken arbeiten, statt wochenlang an vielen Aufgaben parallel zu “arbeiten”, aber dabei nicht richtig voran zu kommen.
    Was aber zugebenermaßen noch schwerfällt: nicht ständig zwischendurch die Mails oder Skype zu checken, nur weil da gerade irgendwas “passiert” bzw. aufgeploppt ist.

    Meine Erkenntnisse:
    Mails lassen sich durchaus auch mal ignorieren.
    Manchmal ist ein leeres Blatt Papier oder Whiteboard zum Fokussieren ganz gut.
    Ein Smartphone kann man sogar GANZ ausschalten (!!!).
    Signale wie Aufploppen lassen sich auch abstellen.
    Ich muss nicht immer und überall erreichbar sein.

    Das Fazit:
    Ist noch ein Stück Weg, glaube ich, aber immerhin ein Anfang… Und: Fühlt sich jetzt schon guuuut an. 🙂

  • Zu diesem Thema – nicht nur Umgang mit beruflichen Mails – habe ich mir schon vor längerer Zeit Gedanken gemacht: http://stancerblog.blog.de/2012/08/02/grundsaetze-aufgabenerledigung-abhaengigen-beschaeftigungsverhaeltnis-14364160/

  • Christoph Mittler

    Daimler hat nun nach abgeschlossener Testphase die Option zum automatischen Löschen eingehender Mails während des Urlaubs für alle Mitarbeiter freigeschaltet mit dem Ziel, dass die Angestellten an einen “leeren Schreibtisch” zurückkehren und sich nicht erst durch “Altlasten” kämpfen müssen… Leider wird nicht quantitativ erhoben, wie viele Mitarbeiter dies auch wirklich nutzen. Unter Umständen lässt der gesellschaftliche Druck diese Option auch nur eine Option bleiben…

    Zum Artikel geht es hier:
    http://www.automobilwoche.de/article/20140813/AGENTURMELDUNGEN/308139954/1276/urlaubsregelung-bei-daimler-mitarbeiter-konnen-mails-loschen-lassen#.U-t5kGNtPpg

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