Die IKEA-Analogie

[authorBox image=”http://uzuner-solutions.de/wp-content/uploads/2014/05/Sarah-Nagel-anonyme-Projektleiterin.jpg” name=”Sarah Nagel”]Sarah Nagel ist bei uns (schüchterne) Projektmanagerin – und kürzlich umgezogen. Nach einem Einkauf von Einrichtungsgegenständen verwickelte sie uns in eine Diskussion darüber, wie man Projekte jedweder Art noch erfolgreicher abschließen kann.[/authorBox]

Warum sich Großeinkäufe bei IKEA wie Projektmanagement in einer Softwarefirma verhalten

Ich war letztens bei IKEA. Ich habe viel gekauft. Also so richtig, richtig viel. Es war ein Rieseneinkauf, denn ich war gerade umgezogen und so eine halb leere Wohnung ist ja nun nicht so gemütlich.

Als Projektmanagerin wusste ich ja, wie man solche Großprojekte angeht, und wendete daher mein Prozesswissen auf diesen IKEA-Einkauf an.

Es waren viele schöne Stunden voller Geschleppe, Gezerre, Gerenne und Gewühle. Und als ich abends mit all dem neuen Kram zu Hause in meinem Chaos stand, stellte ich fest: Trotz absoluter Härtebedingungen habe ich quasi so ziemlich fast alles bekommen, was ich haben wollte – nur dass ich nun einen Artikel in der falschen Farbe und einen weiteren gar nicht hatte. Wie war das passiert? Woran war das Projekt „Erwerb aller IKEA-Produkte in spezifizierter Ausführung“ gescheitert?

Zu jedem Projekt gehört die „Lessons learnt“-Phase. Deshalb möchte ich hier beschreiben, welche Lektion ich gelernt habe.

Bedarfsanalyse und Road Map

Schon in der Vorbereitung meines IKEA-Besuchs griff ich in guter Projektleiter-Manier auf meine Erfahrungen zurück: Ich wusste bereits, dass IKEA unter bestimmten Voraussetzungen einiger Anstrengung bedarf. Diese Voraussetzungen waren gegeben: Da ich ja zur arbeitenden Gesellschaft gehöre, kam nur ein Samstag dafür in Frage. Und wir wissen doch alle, was das bedeutet – genau: die Hölle!

Das trägt nicht dazu bei, dass man ruhig und konzentriert eine Aufgabe nach der anderen abarbeitet. Trotzdem: Man bemüht sich und sorgt vor. In meinem Fall gab es eine Liste. Eine Liste, die nicht nur genialerweise alle Gegenstände enthielt, die ich kaufen wollte, sondern tatsächlich standen

a) nur solche Gegenstände darauf, die IKEA auch hergibt und

b) standen sie in der Reihenfolge darauf, in der IKEA sie hergibt.

Was ziemlich gefuchst ist, denn so läuft man nicht hin und her und sucht immer wieder die ganze Liste durch, um am Ende doch aus der Möbelhalle wieder nach ganz vorne zum Eingang laufen zu müssen. Meine überaus riesige Erfahrung mit diversen vorangegangenen IKEA-Einkäufen half mir natürlich dabei, diese großartige Liste zu erstellen.

Durchführung und Qualitätscheck

Siegessicher machte ich mich auf zu IKEA und wurde prompt von einem unbeeinflussbaren Störfaktor überrascht: Regen! Die Oberhölle – schließlich ist IKEA an einem verregneten Samstag ein Dschungel! Ein Dschungel aus Gegenständen, Verkäufern, ANDEREN KUNDEN und und und.

Dennoch schlug ich mich tapfer und verließ Köln mit dem guten Gefühl, mein Projekt erfolgreich abgeschlossen zu haben.

Nachdem ich abends das ganze Zeug in meine neue Wohnung geschleppt und angefangen hatte, eine lustige IKEA-Möbelaufbauparty zu schmeißen, wurde mir aber klar: Auch den Besten passiert es schon mal, dass nicht alles glatt läuft.

Zum einen war der Rahmen meines neuen Schranks weiß. Aber ich hatte doch einen Alu-Rahmen gewollt und das Paket doch auch aus dem Alu-Fach genommen. ODER NICHT?? Außerdem hatte ich kein Schuhregal. Ich wollte ein Schuhregal. Was war da nur schief gelaufen?

Bugreport

Ich hatte doch das Schuhregal auch in der Möbelausstellung gesehen. Und obwohl es weder Regal- noch Fachnummer hatte (was ja mal sowas von nicht mein Fehler ist), habe ich es mir aufgeschrieben. Zu all den anderen Sachen, die ich aus dem Möbellager holen wollte – ohne Nummer halt. Ich wollte die dann später selber nachgucken, denn nach einem kurzen Check hatte ich festgestellt, dass in absehbarer Zeit kein IKEA-Mitarbeiter zu meiner Verfügung stehen würde. Danach musste ich an viele weitere Dinge denken und auf viele andere Ungeplantheiten reagieren.

Ich habe dann aber im Möbellager nicht nachgesehen. Und warum? Weil ich in meine Liste nur noch nach Regalen und Fächern geguckt habe. Und da neben meinem Schuhregal nichts stand, ignorierte ich es großzügig. Nachdem ich diese Spalten abgearbeitet und zwei Wagen beladen hatte, ist mir die letzte Zeile, in der das Schuhregal stand, einfach nicht mehr aufgefallen.

Was ich mir aber geholt hatte, war der Rahmen für meinen neuen Schrank. Ich hatte mir das Fach für Alu-Rahmen aufgeschrieben und ich war auch am Fach für Alu-Rahmen. Genau zwei Pakete lagen dort noch. Das eine war aufgerissen, also habe ich das andere genommen. Ich hielt mich für einen großen Glückspilz, das letzte brauchbare Paket noch ergattert zu haben. Darüber habe ich mich so sehr gefreut, dass ich keinen letzten Qualitätscheck gemacht habe, sprich: nachsehen, ob im Paket überhaupt das drin ist, was drin sein soll.

Und als ich dann so in meiner Wohnung stand, mit einem weißen Rahmen und ohne Schuhregal, dachte ich bei mir: Wenn ich einzig und allein für den Rahmen und das Schuhregal zu IKEA gefahren wäre, hätte ich in aller Ruhe und sehr sorgfältig nachgeschaut, überlegt, entschieden und gekauft. Aber diese beiden Dinge waren nur zwei von seeehr, sehr vielen Dingen und daher konnte ich ihnen nicht die nötige Aufmerksamkeit zuteilwerden lassen.

Lessons learnt: Übertragung auf den Projektalltag und künftige IKEA-Einkäufe

Sowas passiert – und zwar auch in der Projektarbeit.

Würde man sich um Deadlines nicht scheren, könnte man ganz in Ruhe alles doppelt und dreifach checken und es würde einem vermutlich nur noch sehr wenig durch die Lappen gehen. Aber das kostet Zeit und Zeit kostet Geld. Beides sind Güter, die jeder Kunde nur in seinem individuellen Rahmen zur Verfügung stellen möchte oder kann. Das kann zu Termindruck, Budgetüberschreitungen und weiteren unschönen Vorkommnissen führen. Dinge, die einem das Projektleiten wirklich schwer machen können.

Erfahrung

Und was kann helfen? Zum Ersten mehr Erfahrung. Denn das nächste Mal weiß ich: Guck dir jedes Paket an, das du aus dem Regal holst und check deine Liste noch mal sehr sorgfältig, ob du auch wirklich alles hast, bevor du zur Kasse schreitest und das Projekt beendest.

Auch im Projektdschungel hilft einem Erfahrung aus früheren IKEA-Einkäuf… ääääh – Projekten. Denn wenn man schon weiß, an welcher Stelle es später Komplikationen geben könnte, sorgt man vor. Man testet die fiesen Gemeinheiten, die der Entwickler bestimmt übersehen hat, um am Ende „feature-complete“ (Schuhregal) und „bug free“ (Schrankrahmen) zu sein und die Qualität des Produktes deutlich zu erhöhen. Dann macht einem das die Arbeit nicht nur leichter, man ist auch erfolgreicher.

Andernfalls steht man irgendwann am Ende des Projektes ohne Schuhregal da. Oder ohne Validierung für irgendein Eingabefeld. Oder ohne Logout-Button.

Gute Aufwandschätzungen

Und zum Zweiten: es gibt Projekte, die kann man in der vorgegebenen Zeit und mit dem vorgegebenen Budget einfach nicht schaffen. Das kann man bedingt vorher wissen und in solchen Fällen muss man einsehen, dass von einem Gut leider mehr gebraucht wird, wenn alle Wünsche erfüllt werden sollen.

Besser ist es darum, man schätzt Zeit und Budget – nach Möglichkeit – von vornherein eher nicht optimistisch, sondern realistisch und man verschwendet am Anfang keine Zeit, was einem dann am Ende durchgearbeitete Wochenenden beschert.

Hervorragender Kundenservice

Und was ist aus dem weißen Schrankrahmen geworden? Zu Hause konnte ich dann nicht damit warten, den Schrank aufzubauen. Also habe ich nun einen weißen Rahmen. Wäre ich Kunde und wäre falsch beliefert worden: Ich hätte reklamiert. Und genauso würden es auch meine Kunden im Projektgeschäft machen. Dort sollte mir ein solcher Fehler also besser nicht passieren. Dann darf aber nicht verwurstet werden, was da ist, sondern in dem Fall muss selbstverständlich mit Sondereinsatzkommando die Reise zu IKEA angetreten werden. Im besten Fall verhindern aber Lektion 1 und 2, dass der Problemfall eintritt.

Der nächste IKEA-Einkauf

Einen solchen Großeinkauf muss ich bei IKEA zum Glück jetzt nicht mehr machen – die Wohnung ist ja jetzt eingerichtet. Mit weißem Rahmen. (Das Schuhregal habe ich mittlerweile unter höchster Konzentration nachgekauft.)



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